Grace Paley : Am selben Tag, später

Grace Paley : Am selben Tag, später


Wir danken dem Verlag für einen weiteren Band mit Erzählungen von Grace Paley und möchten unsere Empfehlung für diese Autorin, die wir schon für Ungeheure Veränderungen in letzter Minute aussprachen, wiederholen. In den vorliegenden 17 Erzählungen treffen wir Faith (immer noch „Rechthaberin in Person“) und ihre Freundinnen wieder, mittlerweile älter gewordene, aber immer noch „starrsinnige linke Ladys“ und unbeugsame Vertreterinnen „später Gegenkultur – so ihre Selbstbeschreibung in der Erzählung Freundinnen. Was diese Erzählungen auszeichnet ist weniger das, wovon sie berichten als vielmehr die unverwechselbare Art und Weise, in der sie erzählt werden. Grace Paleys Erzählweise gelingt es auf engstem Raum mehrere miteinander verwobene Biographien zu verdichten und ihnen ganz eigene unverwechselbare Stimmen zu geben. Wenn sich die Erzählerin einschaltet, dann um mit oft nur einem oder wenigen Sätzen mehr zu sagen als so mancher Roman auf vielen Seiten. Und um zugleich auch das Erzählen selbst in seinen Brüchen zu Wort kommen zu lassen – zum Glück gänzlich frei von jeder theoriegeleiteten selbstreflexiven Attitude: „Dann, wie es in Geschichten oft passiert, war es einige Jahre später. Jack war nach Arizona gegangen, damit sich seine Lungen und Atemwege zu erholten, aber auch, um, hoffentlich, eine letzte Liebesaffäre zu haben, eine von denen voll schrecklicher Sehnsucht, unentrinnbarer Sehnsucht und so weiter.“ Was wäre diesem „und so weiter“ schlechterdings hinzuzufügen? Zumal es sich bei Jack um Faith’ ebenfalls in die Jahre gekommen Mann handelt, die dann fortfährt: „Ich will mich darüber gar nicht lustig machen, nur ist irgendeine Reaktion ja wohl natürlich. Viel Glück, Jack, sagte ich, nur komm mir bitte nicht angefressen nach Hause.“ Zwei Sätze, die genügen, um den Stand einer ganzen Beziehung (voller Distanz und Liebe) zusammenzufassen. Und weiter: „Die Jungs wohnten in verschiedenen Stadtteilen und versuchten ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Sie waren die Männer von ein paar Frauen gewesen und kamen darum bloß hin und wieder zum Abendbrot. Sie sorgten sich wegen meiner Zurückgezogenheit und schlugen mir verschiedene Arten vor, wie ich meine Haare tragen sollte.“ Drei weitere Sätze, um die Lebenswege der erwachsenen Söhne (gleichermaßen in ihrer Einmaligkeit und ihrer Austauschbarkeit) zusammenzufassen und die Sprachlosigkeit zwischen Eltern und erwachsenen Kindern eben doch in Sprache zu fassen. Wir finden dies meisterlich. Und wir schließen uns (aber natürlich nur bedingt) Jack an, der sagt: „Weißt Du (…) deine Absätze mag ich lieber als Deine Sätze.“

Grace Paley: Am selben Tag, später. Storys. Aus dem Englischen neu übersetzt von Mirko Bonné
264 Seiten. 19,95 EUR

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