Joan Didion: Blaue Stunden

Joan Didion: Blaue Stunden


„In manchen Breitengraden gibt es vor der Sommersonnenwende und danach eine Zeitspanne, nur wenige Wochen, in der die Dämmerungen lang und blau werden.“ So beginnt Joan Didions Buch über ihre Tochter Quintana, die 2005 nach beinahe zwei Jahren Koma stirbt, und über sich, die ihr Kind überlebt hat. Blaue Stunden: Das Versprechen, dass der Tag nicht enden wird. Dass das Leben nicht enden wird. Dass alles Glanz, Aufbruch und Glück ist. Joan Didion schreibt darüber, wie es ist, wenn das Versprechen der blauen Stunden in Erinnerung umschlägt. Erinnerungen an ein Glück, dass erst in der Erinnerung zu dem wird, was es hätte sein können. Erinnerungen, die paradoxerweise zu dem (zurück)führen, was versäumt wurde, und zu Schmerz werden. So, wenn Didion sich daran erinnert, dass Quintana, die als Säugling adoptiert wurde, ihr kurzes Leben lang immer wieder die Frage stellte, was aus ihr geworden wäre, wenn sich ihre Eltern auf der Säuglingsstation anders entschieden hätten. Erinnerungen, die immer weitere Fragen aufwerfen. Wenn niemand mehr da ist, der diese Fragen beantworten könnte, ist der eigene Tod nicht mehr fern. Wie kann man sich mit sich und dem eigenen Leben versöhnen, wenn das eigene Kind zu Lebzeiten nicht die Antworten erhalten hat, die es so dringend brauchte? Und dieses tote Kind die Antworten auf die sich auftürmenden Fragen nicht mehr geben kann, die mit den sich immer weiter und unaufhaltsam auftürmenden Erinnerungen verbunden sind? Darauf gibt es keine Antworten. Aber gut für uns, dass es das Buch gibt, das diese Fragen stellt.

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