Walter Kappacher : Die Amseln von Parsch

Walter Kappacher : Die Amseln von Parsch


kappacher_die_amseln_von_parschMit der vorliegenden Sammlung von Fragmenten und verstreuten Prosaarbeiten hat uns der müry salzmann Verlag ein funkelndes Kleinod des österreichichen Autors geschenkt. Keine Statements, keine folgerichtigen Einsichten oder Schon-immer-Gewusstheiten. Nein. Kappacher bleibt ein stiller, wunderbarer Außenseiter, ein Dichter auf Abwegen und Traumpfaden, der sich von der Summe des bereits Geschriebenen nicht abschrecken lässt. „Das Gehen“, erfahren wir in der Titelgeschichte, war ihm – neben dem Lesen und Schreiben – das Wichtigste im Leben. Was ihm vom Weg abbringt, vom Schreiben abhält, wird unweigerlich zum Gegenstand des Erzählens. Ein Papagei aus der Nachbarschaft stört ihn mit seinem Gekrächze. Manchmal pfeift er den Anfang des River-Kwai-Marsches. Als Kappacher ihn spottend imitiert, ist an Arbeit nicht mehr zu denken. Amseln gesellen sich hinzu, und die gelehrige Vogelschar, von nun an täglich neue Melodien einfordernd, trällert und balzt mit dem Dichter im Duett aus der Zauberflöte und der schönen Müllerin. Ein zeitraubendes Ritual, das einem guten Freund die Frage gestattet, wann er eigentlich noch schreibe. „Manchmal bedauerte ich es“, schreibt Kappacher 2003, „dass meine literarischen Versuche, welche ja teilweise auch Nachahmungen waren, von viel weniger Resonanz begleitet waren“. Immerhin, die Resonanz auf sein Schaffen ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahre darauf erhielt Walter Kappacher den Georg-Büchner-Preis. Bar jeder Attitude verehrt und beschreibt Kappacher die anderen, seine Vorbilder: Jean Paul, Robert Walser, Thomas Bernhard, H.C. Artmann und Peter Handke. Wann immer seine Prosastücke und Portraits unfertig bleiben, ihre im Titel anvisierten Gegenstände zu verfehlen scheinen, entsteht etwas Neues, Unvorhersehbares. Anders als in Robert Walsers Arabesken wirkt dieses Verfahren viel weniger inszeniert, weniger strategisch als intuitiv und notwendig. Kappacher sieht mit geschlossenen Lidern, lauscht seinen Sujets und Personen Verborgenes ab, nimmt Schwingungen auf, die man nur erlauschen kann, wenn man weghört. Man könne, so antwortet Jean Paul einem Besucher, eigentlich nur das recht beschreiben, was man nicht gesehen habe. Wer’s nicht glaubt, der lese Kappacher!

Walter Kappacher: Die Amseln von Parsch und andere Prosa, 216 S., Müry Salzmann, Salzburg 2013, 19 €.

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