Per Petterson : Männer in meiner Lage

Per Petterson : Männer in meiner Lage


Arvid Jansen hat bei einem Schiffsbrand seine Eltern und einen Bruder verloren. Er ist Ende Dreißig , Schriftsteller, Vater von drei gemeinsamen Töchtern mit seiner Ehefrau Turid. Die Ehe ist kaputt. Beide sind zu „Magneten mit identischen Polen geworden“. Kaum, dass er sich ihr nähert, findet er sich aus dem Schlafzimmer katapultiert im Wohnzimmer wieder, als hätte er einen kräftigen Schlag auf die Brust bekommen. Eine Zeit lang verbringt er die Nächte auf dem Sofa, legt Platten aus ihrer Anfangszeit auf, als sie sich noch liebten. Doch die Klänge erreichen seine Frau nicht mehr. Arvid zieht nachts immer häufiger aus und schläft draußen vor der Tür, auf den umgeklappten Sitzen eines champagnerfarbenen Mazdas. Schließlich lernt Turid eine Sekte von „Farbenfrohen“ kennen und zieht mit ihren Töchtern aus. „Lieber Arvid. Eines Morgens bin ich aufgewacht und hatte Dich nicht mehr lieb. Sei nicht traurig, es ist nicht Deine Schuld.“ Das der lakonische Wortlaut eines unvollendeten Abschiedsbriefes, den Arvid im Wäscheschrank findet. Arvid hat fortan keinen Plan. Die Kinderwochenenden sind für alle Beteiligten ein Desaster. Bis die älteste Tochter eines Tages anruft und verkündet, dass sie sich darauf geeinigt hätten, dass sie nicht mehr kommen. Sie könnten ja häufiger telefonieren.

Weit gefehlt, wer jetzt den Lagebericht eines entsorgten Vaters erwartet. Keine Chiffren, keine Anklagen, kaum Wut. Arvid Jansen ist Erzählfigur, an seinem Selbstmitleid zweifelnder Schriftsteller, ein rastlos Stürzender, ein Kartograph seiner Irrwege und Falltüren, dessen Leben vollkommen aus den Fugen geraten ist. Je akribischer er die zurückgelegten Strecken nachzeichnet, die Ortschaften, Straßennamen, Lokale, Viertel und Knotenpunkte in und rings um Oslo, je endloser das Fahrtenbuch im Mazda, der Blick in den Rückspiegel, die flüchtigen Begegnungen mit wildfremden Frauen, von denen er sich abschleppen lässt, desto deutlicher zeichnet sich ab, dass sie nirgendwo hinführen.

„Männer in meiner Lage“ ist Pettersons stärkster, erstaunlichster Roman. Es ist die fortschreibende Vermessung einer Traurigkeit, die, obwohl sie ihren Maßstab verloren hat, eine Sprache dafür findet, Bilder einfängt und herumwirbelt, und das Zarte, Durchsichtige, ja sogar das Tröstende dieser Situation noch sichtbar werden lässt.

Per Petterson: Männer in meiner Lage. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Carl Hanser Verlag, München 2019, 285 Seiten geb., 22 EUR.

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