Abends um acht. Vierzehn Stockwerke über den Dächern einer verregneten Stadt spiegelt sich die Innenbeleuchtung in den Panoramafenstern des Literarischen Salons wider, als könnte ein Sonnenuntergang den düsteren Horizont Hannovers illuminieren, einer Stadt mit vielen Verlorenen. Katharina Hacker setzt sich an den […]
Der mexikanische Dichter Carlos Fuentes, einer der großen Autoren der iberioamerikanischen Literatur, ist überraschend im Alter von 83 Jahren am 15. Mai 2012 in die ewige Bibliothek übergegangen. Fuentes, ein begnadeter und sehr komplexer Erzähler und stets ein scharfsinniger Kritiker der politischen […]
Wir betreten Schöneberg, den alten Berliner Westen, der im Windschatten der großen weltpolitischen Umwälzungen zum Biotop all jener Übriggebliebenen mutiert ist, die dem Treck nach Osten nicht zu folgen gewillt waren oder sind. Genauer betreten wir das Café Fler, das „Café der […]
Kann man Fachliteratur von Prosa jederzeit sauber trennen? Herbert Molderings aktuelle Veröffentlichung erschwert die Antwort: Es handelt sich natürlich um Fachliteratur, in welcher der Autor auf wissenschaftliche Publikationen und Erkenntnisse ebenso rekurriert, wie er seine eigene wissenschaftliche Beschäftigung mit Marcel Duchamp und […]
Gesundheitsapostel aufgepasst! Von diesem Autor kann man was lernen! Intensiv hat er recherchiert über optimale Ernährung, die effektivsten Entspannungstechniken, Bewegungslehren bis hin zum mentalen Coaching. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die Erzählungen als Sinnbild des modernen Menschen. Doch Schönthaler […]
Fukushima, ein verirrter Pinguin, Karl-Theodor zu Guttenbergs Plagiat, Rettungsschirm für Griechendland, Gaddafis Regenschirm in Tripolis, Strauss-Kahn und Blicke zu unbekannten Sternen. Man muss etwas genauer hinsehen, durch das Triëdere von Patricia Görg, um aus dem feinen Textgewebe nicht etwa medienkritische Glossen, scharfzüngige […]
Ein Vorwort von Philippe Jaccottet und die Übersetzernamen Elisabeth Edl und Wolfgang Matz sind eigentlich schon Empfehlung genug für einen französischen Dichter, der hierzulande nahezu unbekannt ist: Frédéric Wandelère. Nun liegt eine feine zweisprachige Auswahl des in Fribourg lebenden Lyrikers auf Deutsch […]
Eine Frau sitzt im Café. Ihr letzter Tag in Paris. Sie beobachtet einen Mann, der ihr bekannt vorkommt. Als er aufbrechen will, nimmt sie ihren Mut zusammen und behauptet, dass sie ihn kennt, “aus einem Traum“. Der Mann dreht sich um und […]
Woher kommen diese Gedichte? Von einer karibischen Insel? Aus Übersee? Wenn Dichtung genau das sei, was in der Übertragung verloren geht, so sind die Weißen Reiher von Derek Walcott, wie sie uns Werner von Koppenfels in dieser zweisprachigen Ausgabe zuführt, eine poetologische […]
Im Juli 1857 bricht Henry David Thoreau gemeinsam mit einem Freund zu seiner dritten Reise in die Wälder von Maine auf. Geführt werden sie von Joseph Polis, einem Indianer, der die eigentliche Hauptfigur des Textes ist: Ein Grenzgänger zwischen der alten und […]
Diesen fast jugendlich-frisch daherkommenden und von unmittelbarer und unvoreingenommener Anschauung und Erfahrung gesättigten Reiseaufzeichnungen merkt man kaum an, mit welchen Widerständen der 84jährige Nobelpreisträger gerungen haben muss, bevor er auf persönliche Einladung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad die Iran-Air Maschine von Hamburg nach […]
Ein Klassiker der amerikanischen Literatur ist in der fulminanten Neuübersetzung von Eike Schönfeld neu zu entdecken. 21 lose miteinander verbundene Geschichten, in denen jeweils eine Figur aus der fiktiven Kleinstadt des Mittleren Westens im Mittelpunkt steht. Allen Figuren gemeinsam ist, dass ihre […]
Seine Vorliebe für Bier. Seine Abneigung gegen Impfen. Seine Angst vor Mäusen. Welche Turn- und Atemübungen er täglich absolvierte. Wieviele Mutmaßungen es über seine Augenfarbe gab. Dass der Eintrag im Reisepass genauen Aufschluss gibt: „Dunkelblaugrau“. Berichte über zwanghafte Bordellbesuche. Ein präziser Grundriss […]
Wir befinden uns in einer böhmischen Stadt der 20er Jahre. Lehrer Josef Blau fürchtet sich vor seiner Klasse, die er mit Zucht und militärischem Drill in Schach zu halten versucht. Es knistert. Der Umbruch aller Werte liegt in der Luft. Jede geringste […]
Seite 230: „Das Universum ist groß. Womit der Erzählrahmen abgesteckt wäre.“ Absätze wie dieser mögen den Lektor beim Blättern im Manuskript bewogen haben, den jungen Autor zurück zu holen. An Unbescheidenheit mangelt es diesem freilich nicht. Allein die Widmung „Den ungelebten Leben“ ist […]
Milla und Ritschie sind Geschwister. Sie leben in Berlin, Ritschie hat einen subalternen Job im hauptstädtischen Medienbetrieb, Milla arbeitet aushilfsweise in einem Laden, der mit Kinderklamotten und Spielzeug mehr schlecht als recht über die Runden kommt. Milla schläft ab und zu mit […]
Margot, die über Bachmann und Wien schreiben wollte, hat die Stadt verlassen und „Jetzt soll Wien zusehen, wie es ohne mich zurecht kommt.“ Die Erzählerin schaut auf Wien und ihren Kreis von Freunden und erzählt haarscharf am Geschehen vorbei. Was geschieht? Plötzlich […]
Gefasst auf eine hochverdichtete, diskurskritische Volte über das Endliche und Unendliche fühlt man sich nach den ersten Seiten in den Hörsaal einer Kinderuniversität versetzt. Dann aber leuchtet etwas auf: Dass diese kindlichen, naiven Fragen den Anfang philosophischen Fragens und philosophischer Neugier markieren. […]
Es ist der Herausgeberin Simone Boué und der herausragenden editorischen Übersetzungsleistung von Peter und Konrad Weiß sowie Verena von der Heyden-Rynch zu verdanken, dass dieser Kosmos Ciroanschen Denkens aus den Notizheften 1957 – 1972 für den deutschsprachigen Leser endlich vollständig zugänglich wird. […]
„In manchen Breitengraden gibt es vor der Sommersonnenwende und danach eine Zeitspanne, nur wenige Wochen, in der die Dämmerungen lang und blau werden.“ So beginnt Joan Didions Buch über ihre Tochter Quintana, die 2005 nach beinahe zwei Jahren Koma stirbt, und über […]
Marcel Beyer ist ein Bien. Er nähert sich seinen Gegenständen von den Randbezirken her. An der Grenze liegt das Benachbarte ebenso wie das Fremde. In der Fremde ist es mir unheimlich. Dort wird mir die eigene Sprache, ICH werde mir fremd. Von […]
oder „Sei vielgestaltig wie das Weltall!“ Unmöglich dem Kenntnisreichtum und der Vielgestalt seiner zwischen den Jahren 2000 und 2011 entstandenen Aufsätze gerecht zu werden. Ob die mystische Seite des „multiplen Solitärs“ Pessoa, der Zeit seines Lebens unter Heteronymen für die Truhe schrieb, […]
Nicht leicht zu sagen, wovon dieser Roman erzählt. Von Louki, der rätselhaften jungen Frau, die plötzlich ihren Mann verlässt und sich einer Gruppe Pariser Bohemiens anschließt, ohne dieser wirklich anzugehören? Oder nur von einigen Straßen, Metrostationen und Cafes in Paris, in denen […]
Über Tage Anna Katharina Hahn geht hinein. Mit zarter Präzision schürft sie in den Stuttgarter Vorstadtgärten, zwischen Carports und Buchenhecken. Sie geht in die guten Stuben, öffnet das Innerste, die Schubladen, die Badezimmerschränke, Dachböden, inventarisiert die Dekoration des Banalen. Peter, das von […]
Gegen den Originalschmerz des Lebens den Kunstschmerz der Literatur zu Hilfe nehmen, ihn zu vertauschen und damit zu scheitern – das ist, was Genazino auf unnachahmliche Weise gelingt, wenn er mit Kinderaugen durch die Mannheimer Straßen der Nachkriegsjahre flaniert und die Poesie […]
oder Die Wutausbrüche der Engel. Josef Winklers Bücher erzählen von Wunden und Wundern. Das Biografische ist Fiktion, die Wiederholung eine Erfindung, die Genealogie der Wunde Winklers poetologisches Programm. In seiner Büchner-Preisrede 2008 gibt Josef Winkler Auskunft darüber wie dieses Buch entstand. Josef […]
Pans Rache? Eines Morgens glaubt der zeichenaffine Neurobiologe Ed Rosen anstelle seines Fußes einen Huf aus der Bettdecke ragen zu sehen. Eine Sinnestäuschung oder ein böses Omen? Unentscheidbar. Im Gegensatz zu Gregor Samsa bleibt Rosen jedoch liegen, schließt die Augen und lässt […]
Der in Frankreich lebende schweizerische Autor Philippe Jaccottet ist einer der großen europäischen Dichter. Dieser Prosaband vereint Texte, die sich den Tragödien unserer Gegenwart stellen, aber auch von persönlichen Niederlagen handeln. „Israel, blaues Heft“ ist ein Reisebericht über die Krisenregion in Nahost; […]
Peter Nadas erzählt die Geschichte der Budapester Familie Demen und ihrer Freunde, deren persönliche Schicksale mit der ungarischen und deutschen Vergangenheit verknüpft sind. Meilensteine in diesem gewaltigen Epos sind die ungarische Revolution 1956, der ungarische Nationalfeiertag am 15. März 1961 und, rückblickend, […]
Die Canyons in den USA: eine Welt voller Einsamkeit und Stille. Wessely, ein Arzt aus dem Salzburger Land, bricht in die Vereinigten Staaten auf, um im Alter über seine Zukunft nachzudenken. Mit Everett, dem wortkargen Fahrer des Jeeps, dringt er immer tiefer […]
32 Jahre lang hat Gerhard Roth an seinen beiden Romanzyklen „Die Archive des Schweigens“ und „Orkus“ gearbeitet ein einzigartiger Kosmos der Literatur und des Denkens, der neben klassischen Romanen auch dokumentarische und essayistische Bände umfasst. Der Band „Orkus“ ist der Schlussstein dieser […]